Sintflut

 
Lieber Pfaffenheini,

mich würden deine Kenntnisse von der Vorgeschichte diverser biblischer Geschichten interessieren. Was sagst du zur Tradition etwa der Sintfluterzählung, die bereits vor über viertausend Jahren in Mesopotamien in ganz ähnlicher und doch verschiedener Weise erzählt wurde, dem Schöpfungsbericht der Genesis etc.
Wurden diese Geschichten deiner Vorstellung nach übernommen und neu interpretiert bzw. einer Glaubensüberzeugung oder Doktrin angepasst, wurde die eigentliche Wahrheit hinter den Geschichten erkannt, oder griff man auf altbekannte Motive zurück, um die eigene Religion attraktiver zu machen?
Eine kleine Beschreibung deiner bisherigen Beschäftigung mit den alten Kulturen des Orients sowie deiner vorläufigen Eindrücke und Einschätzungen würde mich sehr erfreuen.
 



Liebe ...........,

Lang hat's gedauert, aber ich denke, es ist immer wichtig, ein Thema einigermaßen abzuschließen, bevor ein anderes beginnt.
Ich möchte auch nicht immer einen neuen thread eröffnen, da ich sonst den Überblick verliere, und ohnehin meist mit der Zeit etwas knapp dran bin.

Zum Monotheismus können wir dann vielleicht anschließend kommen.


Meine Kenntnisse im Bereich der alten Kulturen des Orients beschränken sich auf das Standardwissen eines Theologiestudierenden, der sich recht intensiv mit dem Alten Testament und seiner "Umgebung" beschäftigt.

Die sehr bekannten ersten Kapitel des Buches Genesis sind vermutlich zur Zeit des Königs Salomo (961-931 v.Chr.) in Jerusalem entstanden. Staatsschreiber und Gelehrte hatten dort einen hohen Rang inne, denn sie berieten den König in Rechtsfragen und ihre Weisheit galt als Gabe Gottes.

Die Urgeschichte ist natürlich keine Historie im üblichen Sinn, sondern eine erzählende, mit vielen Bildern ausgeschmückte Theologie. Der "Jahwist" (so benannt, da er Gott immer als Jahwe bezeichnet) als Verfasser versucht, eine Antwort auf die großen Fragen der Menschheit nach Leben und Tod, Sinn und Scheitern,... zu geben.

Um diese Fragen zu beantworten, stützt sich der Autor sowohl auf seine eigene Reflexion als auch auf die Mythen anderer altorientalischer Kulturen.
Vor allem aber geht er von seinem Jahweglauben aus. Die Gläubigen vor ihm hatten schon eingehend über den Exodus und die Landnahme nachgedacht, und in diesen Ereignissen war ihnen ein bestimmtes Gottesbild offenbar geworden.
Auf dem Hintergrund dieser Glaubenserfahrung schreibt der Autor die Schöpfungsgeschichte.

Zur Sintflut: Den Erzählungen aus verschiedenen altorientalischen Kulturen liegt wohl das historische Ereignis einer enormen Flutkatastrophe zugrunde, das, vom verschiedenen Menschen- und Gottesbild ausgehend,
jeweils anders gedeutet wurde.
Natürlich sind der Epos des Atra-Hasis und das Gilgamesh-Epos älter als der biblische Bericht und waren zum Zeitpunkt dessen Abfassung wohl so allgemein bekannt wie heute "1984" oder "Animal Farm", also in gewisser Weise allgemeines Kulturgut.


So, das war's, ich hoffe, nichts übersehen zu haben.
God bless the world
ph

 

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